Wer in meine Trainings und Coachings kommt, will meist die Grundlagen guter Vorträge kennenlernen oder für einen hochwertigen Vortrag das nächste Level erreichen. Es sind meist ganz ähnliche Fragen, die mir meine Kunden stellen. Manche von ihnen haben Ideen aus der Literatur oder dem Internet übernommen, die nicht immer gut überlegt sind oder ganz einfach nicht so pauschal stimmen. Einige dieser Mythen besprechen wir in diesem Blogbeitrag.
Wie viele Spiegelstriche kann ich pro Folie für PowerPoint einsetzen?
Ich sehe zwei gegensätzliche Entwicklungen, wenn ich PowerPoint-Präsentationen beobachte: Zum einen arbeitet die große Mehrheit der Menschen, die Vorträge halten, ihre bekannte Spiegelstrich-Liste ab. Hier dient PowerPoint eindeutig als Spickzettel. Wer sich auch nur ein wenig mit Rhetorik und Vorträgen auseinandersetzt wird schnell lernen, dass das nicht der beste Weg zu einem guten Vortrag ist. Andererseits sind sich gerade viele jüngere Menschen der Tatsache bewusst, dass die Folien nicht mit Informationen zugeschüttet werden sollten.
Reduziere den Text auf deinen Folien also auf ein Minimum und fange nicht gleich damit an, Text vom Skript auf die erste Folie zu kopieren. Stattdessen kannst du deinen Vortrag zunächst einmal inhaltlich und zeitlich strukturieren. Anhand einer Mindmap arbeitest du recht schnell heraus, welche Inhalte dir am wichtigsten sind. Du kannst auch Bonus-Material einbauen und nutzen, falls du zusätzliche Redezeit bekommst oder thematisch tiefer gehst.
Wenn dein Inhalt steht, kannst du dir Gedanken um die visuelle Darstellung machen: Fotos, Skizzen, Grafiken und mathematische Abbildungen sind je nach Fach und Zielpublikum oft eine gute Option. Auch kurze Audio- und Video-Einlagen sind möglich. Text solltest du hingegen sparsam einsetzen. Hier sind einzelne Schlagworte, Zitate, eine übersichtliche Tabelle, kurz formulierte Thesen, ein Fazit oder ein Appell denkbar. Mein Mantra ist hier: Weniger ist mehr. Willst du wirklich drei Texteinheiten zeigen, dann verteile sie auf drei Folien.
Spiegelstriche gehören nicht in deine Präsentation, sondern in ein Handout. Folien und Handout unterscheiden sich also im besten Fall. Damit erübrigt sich die Frage, ob du drei, fünf oder sieben Spiegelstriche im Vortrag einsetzt.
Überzeuge ich mein Publikum mit aktiver Körpersprache und stimmlicher Vielfalt? Zählt der Inhalt nur 7 %?
Dazu habe ich einen ausführlichen Blog-Artikel geschrieben.
Natürlich sind Körpersprache und Stimme, sind Mimik und Gestik für einen gelungenen Vortrag wichtig. Die Annahme, dass du den Inhalt dann vernachlässigen kannst, weil dieser ja sowieso nur zu 7 % wichtig ist, könnte aber falscher nicht sein. In meinem Blog „Inszeniere deinen Vortrag publikumswirksam“ habe ich das anhand eines Gedanken-Experiments beschrieben. An dieser Stelle nur so viel: Halte deinen Vortrag mal in reiner Gebärdensprache. Ich setze noch einen drauf: Untermale das mit einer verfremdeten, aber melodischen Stimme oder gleich mit fetziger Musik. Schon stehen 93 % deines Vortrags.
Wirklich? Schon klar, ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Die 7 % Inhalt sind vielmehr die wichtigste Grundlage deines Vortrags. Kannst du deine Inhalte so zuspitzen, dass du alles Überflüssige gestrichen hast, wird es spannend. Dann nämlich kannst du mit dynamischer Körpersprache und melodischer Stimme Persönlichkeit zeigen. Auch hier gilt: Keine antrainierten Verhaltensweisen. Genau hier schlägt die 7-38-55-Formel von Dr. Albert Mehrabian zu: Wirkst du nicht authentisch, sondern einstudiert, wird dein Publikum zuerst auf Körpersprache und Stimme achten. Passt dies nicht zu deiner Persönlichkeit, wird man dir die Inhalte deines Vortrags nicht abnehmen. Du würdest dich unglaubwürdig machen.
Deshalb ist Authentizität so wichtig. Präsentiere dich so wie du wirklich tickst. Deine Stimme wird dynamischer und melodischer, wenn du nicht nur dein Skript runterrasselst, sondern auch die besonderen Momente hervorhebst, die dich begeistern. Bist du begeistert, wirst du viel eher Arme und Hände einsetzen, ohne dies groß trainieren zu müssen. Das wird dein Publikum merken.
Hierzu gibt es eine interessante Studie der Verhaltensforscherin und Trainerin für Körpersprache Vanessa Van Edwards: Handgesten und Lächeln sind besonders wirkungsvolle Instrumente, die dein Publikum begeistern können. Van Edwards hat die Anzahl der Handgesten und des Lächelns in Vorträgen mit der Anzahl der Online-Aufrufe von TED-Vorträgen in Zusammenhang gebracht, der nachweislich sehr eng war. Authentische Körpersprache erzeugt Glaubwürdigkeit. Van Edwards konnte weiter aufdecken, dass Lächeln dazu beiträgt, dass Redner klüger wirken, mitunter die Intelligenz höher eingeschätzt wird. Dies sollte natürlich kein gekünsteltes, sondern ein echtes Lächeln sein.
Brauche ich ständigen Blickkontakt zum Publikum?
Augenkontakt ist wichtig, damit du Vertrauen überhaupt erst aufbauen kannst. Wenn ich einen Vortrag halte oder eine Veranstaltung moderiere, habe ich natürlich mein Publikum im Blick. Ich schaue einzelne Menschen für einen Moment an, würde aber niemals jemanden für längere Zeit anstarren. Damit würde sich mein Gegenüber sicher sehr unwohl fühlen. Im Live-Publikum sollte dein Blick immer wieder mal zu verschiedenen Seiten des Publikums wechseln. Achte darauf, dass du nicht den Ventilator-Blick einnimmst, also ständig den Blick hin- und herschweifen lässt.
Hast du ein Skript oder Spickzettel bei dir, bricht der Blickkontakt natürlich ab. Wenn dir dein Skript Sicherheit gibt, nehme es mit auf die Bühne, schaue aber nur sparsam darauf. Dein Publikum wird ohnehin nicht wissen, wenn du mal einen Punkt auslässt oder vergisst.
Zurück zum Blickkontakt: Hier schauen gerade online die meisten starr auf den Bildschirm, um ihr Publikum oder ihre Notizen zu sehen. Die virtuelle Verbindung gelingt aber nur über den direkten Blick in die Kameralinse. Das wirkt für dich als Redner erst mal ungewohnt und ist auch nicht immer leicht. Sich diesen Blick anzugewöhnen kann genau den entscheidenden Unterschied für dich machen! Bedenke, dass du in einem Publikum von 20 oder auch 200 Leuten in genauso viele Augenpaare gleichzeitig schauen kannst! Professionelle Nachrichtensprecher schauen täglich ein Millionenpublikum aus dem Studio heraus an.
Natürlich kannst du auch mal aus dem Bildschirm herausschauen. Solange es nicht dazu kommt, dass du dauerhaft auf einen zweiten Bildschirm schaust, um dein Publikum zu sehen, du aber so wirkst, als würdest du etwas ganz anderes sehen, ist das vollkommen okay.
Fazit: Suche den direkten Blickkontakt sowohl live als auch virtuell. Starre niemanden für längere Zeit an.
Sollte ich die ganze Zeit an einer Stelle stehen?
Die kurze Antwort: Es kommt ganz darauf an.
Grundsätzlich ist es eine gute Idee, dass du eine feste Position einnimmst. So wird sich dein Publikum umso mehr auf die Inhalte deines Vortrags konzentrieren. Der feste Stand macht besonders viel Sinn, wenn du eine wichtige Botschaft hast, etwa zu den Zukunftsperspektiven deines Unternehmens, beim Weitergeben schlechter Nachrichten (etwa Arbeitsplatzabbau, Einsparungen im Unternehmen) oder in einer Traueransprache.
Umgekehrt kannst du mit einem dynamischen Vortrag auch die gesamte Bühne nutzen. So geschehen bei meinem eigenen Vortrag auf einer Tagung, auf der ich die finalen Ergebnisse meiner Doktorarbeit vorgestellt habe. Mit meiner Bewegung, mit meiner dynamischen Stimme und mit kurzweilig aufbereiteten Inhalten konnte ich meine Begeisterung über mein Thema teilen. Das Feedback nach dem Vortrag war einfach großartig, und es bleibt mir als einer meiner besten Vorträge in Erinnerung!
Für Online-Reden empfehle ich dir, an einem Platz stehenzubleiben. Gerade wenn du nahe an der Kamera stehst, übersetzen sich leichte Veränderungen im virtuellen Raum in sehr unruhige Bewegungen. Weitere Hinweise zu Online-Vorträgen findest du hier.
Bedenke also die Unterschiede live und online: Eine große Live-Bühne lässt die Nutzung der gesamten Bühne immer zu. Vorträge vor deiner Online-Kamera wirken meist stärker, wenn du eine feste Position einnimmst.
Darf ich meine Hände in den Taschen meiner Jeans lassen?
Ja, es ist völlig in Ordnung, dass du deine Hände auch mal in deiner Hosentasche parkst. Das darfst du, wenigstens zeitweise und zwischendurch mal. Dass du deine Hände dauerhaft in den Hosen parkst, ist dagegen wohl keine so gute Idee. Dein Publikum könnte den Eindruck gewinnen, dass du etwas zu verstecken hast und deshalb unsicher bist.
Noch ungünstiger ist es für dich, wenn du dann noch mit deinen Händen in den Hosentaschen rumspielst – sei es aus Nervosität, weshalb du deinen Schlüssel mehrmals umdrehst oder weil du Halt suchst. Der Eindruck ist jedenfalls kein positiver. Mein Tipp: Hosentaschen frei von allem halten, was da sonst so drin ist. Vor allem alles raus was klimpert oder deine Hosen ausbeulen lässt.
Wenn du für das was du sagst brennst und über die Inhalte deines Vortrags selbst begeistert bist, wirst du das auch mit deiner Gestik zeigen.
Sollte ich bei interaktiven Präsentationen das Publikum zum Abstimmen auffordern?
Ich liebe die Interaktion mit dem Publikum. Sprichst du es direkt und persönlich an, stellst du eine unmittelbare und persönliche Verbindung her. Dazu gehört natürlich auch der Dialog, so dass gerade bei längeren Vorträgen dein Publikum selbst sprechen kann – so wie es etwa für wissenschaftliche Tagungen üblich ist, wenn dem Vortrag eine Diskussion folgt.
Es gibt eine ganze Reihe von Interaktionsmöglichkeiten: Du kannst dem Publikum Fragen stellen – erwartest du auch eine konkrete Antwort? Du kannst auf Zwischenrufe eingehen, was vermutlich eher unerwartet kommt. Oder experimentierst du gerne? Dann kannst du dir sogar Menschen nach vorn holen, vorausgesetzt diese sind auch einverstanden damit. Bedenke immer, dass diese Art der Interaktion deinem Publikum einen konkreten Mehrwert geben sollte.
Die häufigste Interaktion ist sicher die Publikums-Umfrage: „Wer von Ihnen hat schon mal…?“ oder „Wer von Ihnen ist der Meinung, dass…?“ Umfragen sind aber kein Selbstzweck, nur weil sie ein rhetorisches Stilmittel sind. Biete deinem Publikum auch hier immer einen konkreten Mehrwert: Vergleiche das Ergebnis der Abstimmung mit anderen Umfragen, stelle fest wo dein Publikum von anderen abweicht und wie du die Unterschiede interpretierst, starte eine kurze Diskussion, frage nach einzelnen Meinungen.
Damit dein Publikum überhaupt mitmacht, nimmst du deine Hand auch nach oben. Mit dieser visuellen Anregung folgt dein Publikum dir. Achte nur darauf, dass du nicht fünf Umfragen hintereinander machst, wie es manche semiprofessionellen Redner tun.
Wenn du diese Tipps für deinen nächsten Vortrag beachtest, wirst du schon vieles richtig machen. Welche Missverständnisse kennst du noch, wenn es um hochwertige Präsentationen geht?
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