Selbstbewusstsein. Ich bin mir meiner Selbst bewusst – oder anders: Ich bin mir im Klaren, wer ich bin, was ich denke, fühle und tue. Das ist für mich die erste Definition von Selbstbewusstsein. Aus meiner persönlichen Geschichte heraus verbinde ich damit Selbstvertrauen, und das heißt für mich: Ich vertraue mir und meinen Fähigkeiten. Ich kann meiner selbst vertrauen, vor einer beliebig großen Gruppe von Menschen zu stehen und gute Vorträge zu halten.
In meiner Kindheit und Jugend war ich sehr schüchtern und hatte kein Selbstvertrauen. Heute sehe ich mich dank spannender Lebenserfahrungen, Selbstreflexion und zahlreicher eigener Vorträge und Trainings als sehr selbstbewusste Persönlichkeit.
Wie sieht es mit deinem Selbstbewusstsein aus? Stehst du gern vor anderen Menschen und hältst Vorträge? Bist du aufgrund deines Berufs gefordert, obwohl du nicht gern vor Menschen sprichst? Und was tust du, um dein Selbstbewusstsein weiterzuentwickeln? In diesem Blog nehme ich dich auf eine sehr persönliche Reise vom schüchternen Jungen zur selbstbewussten Redner-Persönlichkeit mit.
Ich war mal schüchtern
In meiner Kindheit war ich lange Zeit sehr zurückhaltend. Ich wollte nicht auffallen. An Elternsprechtagen haben meine Lehrer regelmäßig ihren Wunsch geäußert, ich möge mich doch mündlich aktiver am Unterricht beteiligen. Ich aber wollte damals nichts falsch machen und habe deshalb lieber geschwiegen. Wenn wir Referate halten mussten, bin ich tomatenrot angelaufen und habe vor mich hin gestottert, denn ich hatte Angst vor der Meinung anderer Schüler und meiner Lehrer. Selbst im Kindergottesdienst habe ich nur meine Lippen ohne Ton bewegt, um zumindest den Schein zu wahren.
Das hat sich erst während des Abiturs geändert: Damals stand das Thema „self-confidence“, also Selbstbewusstsein auf der Agenda des Englisch-Unterrichts. Das hat mich von der ersten Minute an begeistert, hier bin ich aufgeblüht und habe mich von da an aktiver in den Unterricht eingebracht. Das war ein erster wichtiger Schritt heraus aus meiner persönlichen Komfortzone.
Um einen größeren Schritt nach vorn zu gehen, musste ich aber erst mein persönliches Umfeld ändern. Als ich zu Beginn meines Studiums vom Dorf in die Stadt umgezogen bin, konnte ich mich frei entfalten und habe viele neue Kontakte und Freundschaften geknüpft. Ein Wochenend-Rhetoriktraining war mein persönlicher Meilenstein: zahlreiche Praxisübungen vor etwa zehn anderen Menschen haben das Eis in mir gebrochen. Dazu kommt, dass ich im Kurs meine damalige Freundin kennengelernt habe. Von da an waren Rhetorik und Präsentationen für mich stark emotionale und zudem positiv besetzte Anker.
Redepraxis beschleunigt dein Selbstbewusstsein
Als Student bin ich immer wieder ins kalte Wasser gesprungen und konnte kurze Vorträge halten. Ich werde mich immer daran erinnern, als ich in einer Arbeitsgruppe gesagt habe, dass ich unsere Ergebnisse präsentieren werde. Extremes Herzklopfen inklusive, habe ich immerhin einen Teil unserer Inhalte fehlerfrei wiedergeben können, bevor ich einen Blackout hatte und mir eine Kommilitonin zur Seite gesprungen ist. Die nächsten Schritte waren dann nicht mehr so groß, weil der Grundstein für bessere Präsentationen gelegt war. Mal ehrlich: Kennst du Menschen, die allein durch Ratgeber-Literatur und YouTube-Videos gelernt haben zu reden – oder zu schwimmen? Du musst dich schon nass machen und selbst ins Wasser springen, wenn du ein guter Schwimmer werden möchtest. Genauso ist es mit Vorträgen: „Reden lernt man nur durch reden.“ An der Praxis geht kein Weg vorbei.
Meinen nächsten großen Schritt nach bin ich während meines Studienpraktikums in Ecuador gegangen: Ich durfte an einem mehrtägigen Workshop teilnehmen und mit einer kurzen Präsentation zum Programm beitragen – und das mit sehr eingeschränkten Spanisch-Kenntnissen. Daran hat sich eine sehr anregende Diskussion angeschlossen, in der ich meine Ideen sehr konkret ausführen konnte.
Spätestens da war mein Ehrgeiz geweckt. Als Student und später als Wissenschaftler war ich regelmäßig auf Fachtagungen präsent und habe Ergebnisse meiner Forschungsstudien mal mit Posterbeiträgen, mal mit Live-Vorträgen vorgestellt und diskutiert. Dazwischen stand der Feinschliff während interner Doktoranden-Seminare und in Instituts-Kolloquien. Die hier gewonnene Vortrags-Routine war ein weiterer Schlüssel auf meinen Weg zum Trainer und Präsentations-Coach.
Der entscheidende Schritt nach vorn kam in meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter: Wer vier Jahre lang Woche für Woche vor Studenten steht, Vorlesungen, Übungen und Seminare gibt – ganz gleich, ob vor fünf oder vor mehr als hundert Studenten – der entwickelt ein neues Selbstverständnis und gewinnt an Selbstbewusstsein. Weil ich mir regelmäßig Feedback eingeholt, meine eigene Leistung kritisch hinterfragt habe und so an meinen Vortragstechniken feilen und diese weiterentwickeln konnte, wurden auch meine Vorlesungen immer interaktiver: Weg vom Frontalunterricht aus dem letzten Jahrhundert, hin zu abwechslungsreichen Veranstaltungen. Die von mir vermittelten Themen beinhalteten viele praxisnahe Fragen und anregende Diskussionen mit Studenten, abgerundet durch kurze Videosequenzen und spontane studentische Beiträge – kurz: vielfältige Interaktionen für kurzweilige und abwechslungsreiche Vorlesungen und Seminare – zumindest, wenn ich den Kommentaren auf den Evaluationsbögen meiner damaligen Studenten Glauben schenken darf.
Aber damit nicht genug: In meiner Freizeit halte ich seit vielen Jahren Woche für Woche kurze Vorträge, moderiere Veranstaltungen, gebe anderen Menschen qualifizierte Feedbacks für deren Präsentationen und übernehme diverse Führungsrollen. Dieses zusätzliche Training in einem anderen als dem reinen Wissenschafts-Kontext gibt mir viele neue Impulse, welche meinen eigenen Vorträgen und den Trainings zugutekommen.
Wenn du deine Vortrags-Fähigkeiten auch außerhalb von Präsentations-Trainings verbessern möchtest, helfen dir neben instituts- oder firmeninternen Schulungen evtl. auch gezielte Stimmtrainings, Improvisations- und Schauspiel-Workshops. Eine weitere kostengünstige Alternative sind Toastmasters-Treffen, die in den meisten größeren Städten in Deutschland und weltweit stattfinden.
Dein Mindset macht den Unterschied
Trainings und die regelmäßige Präsentations-Praxis sind ein wichtiger, aber bei weitem nicht der einzige Eckpfeiler für gelingende Vorträge. Routine alleine macht noch keinen guten Redner. Ein ebenso wichtiger Aspekt ist deine innere Einstellung, dein Mindset. Das beste Training hilft dir nur bedingt, wenn du Angst hast, dich vor andere Menschen zu stellen. Dann sind alle Techniken, die du in Trainings oder anderweitig gelernt hast, hinfällig. Warum? Weil hier die – häufig falsch interpretierte – Studie von Mehrabian zur Geltung kommt: Unsicherheit äußert sich meist in der unbeholfenen Körpersprache oder einer zitternden Stimme. Passt einer dieser Aspekte nicht zu deiner Persönlichkeit, wird dir der größte Teil deines Publikums keinen Glauben schenken. Spielst du Selbstbewusstsein vor, während deine Körpersprache Unsicherheit ausstrahlt, dann wirkst du entsprechend unsicher und letztlich unglaubwürdig.
Das Wochenend-Rhetorik-Training alleine hat aus mir noch keinen guten oder gar hochklassigen Redner ausgemacht, war damals aber eine sehr wichtige Grundlage. Erst als ich als Persönlichkeit mitgewachsen bin und mich auf der Bühne zunehmend wohler gefühlt habe, konnte ich an persönlicher Ausstrahlung und damit an Wirksamkeit als Redner gewinnen. Auch daraus hat sich mein Selbstbewusstsein entwickelt – dank der richtigen inneren Einstellung, durch mein Selbstbild bzw. Mindset.
Ein anderes Szenario zum Mindset erkläre ich anhand eines real erlebten Vorstellungsgesprächs: Wenn du als Bewerber mit der Einstellung eines Bittstellers ins Interview gehst, dann wird es dein Gegenüber anhand deiner unsicheren Haltung, der äußerlich sichtbaren Verkrampfung oder an deiner Verschlossenheit mit kurzen und unsicher formulierten Antworten merken, dass du dich in deiner Haut nicht wohl fühlst. Hier verpufft die beste inhaltliche Vorbereitung sofort, wenn deine innere Haltung nicht passt. Ich selbst war einer von diesen Menschen: In den 1990er-Jahren war ich noch nicht reif genug, um Bewerbungen und Vorstellungsgespräche in erster Linie als Chance zu begreifen. Ich habe zahlreiche Absagen kassiert und mich letztlich auch für einen anderen Weg entschieden.
Heute bin ich nach langer wissenschaftlicher Karriere selbst Trainer für Präsentationen. Menschen, die zu meinen Rhetorik-Trainings kommen und sich von mir coachen lassen, fragen mich regelmäßig nach dem besten Weg, wie sie ihre Präsentationen verbessern können. Die Trainings sind selbstverständlich sehr gute Impulse mit ebenso vielen Praxisübungen, aber auch diese können letztlich nur ein erster Anstoß sein. Entscheidend ist, dass du danach aktiv dran bleibst und dir Möglichkeiten schaffst, immer wieder vor anderen Menschen zu stehen und Vorträge zu halten.
Zurück zu den Bewerbungen: Vor einem Jahr habe ich eine interessante Coaching-Stelle entdeckt, die inhaltlich eine wunderbare Ergänzung zu meiner Selbständigkeit ist. Im Interview bin ich unverkrampft und authentisch aufgetreten. Die Personalerin des Unternehmens hat mich direkt darauf angesprochen. Weil ich von Beginn an von meiner eigenen Leistung und dem Mehrwert, den ich dem Unternehmen geben kann, überzeugt war – und weil ich natürlich auch die Interessen des Unternehmens adressiert habe – habe ich den Job sofort bekommen. Meine offen-neugierige Einstellung und die offen-positive Atmosphäre während des gesamten Interviews haben sehr gut gepasst.
Mit genau dieser Einstellung kannst du Selbstbewusstsein ausstrahlen, wenn du von deiner Expertise, deiner Leistung überzeugt und inhaltlich gut vorbereitet bist. Versetze dich im Vorfeld gedanklich in die Situation herein, wie du vor deinem Publikum (oder vor der Personalerin des Arbeitgebers) stehst und gekonnt präsentierst, wie du in begeisterte Menschenaugen schaust, wie beide Seiten einfach Spaß haben. Das bedarf am Anfang einiger Übung und wird dir mit zunehmender Vorbereitungs-Routine helfen, dein Publikum zu begeistern.
Du kannst dich vorher mental aufladen und dich in eine ausgeprägte positive Stimmung versetzen. Ich nutze das immer wieder vor meinen Auftritten: Meinen hohen Adrenalinspiegel gleiche ich aus, indem ich in einem anderen Raum – idealerweise alleine – Liegestütze mache, meine Arme in Siegerpose aufrichte oder noch einmal in der Pause vorher ein Stück laufe. Manchmal höre ich einige Minuten lang gute Musik, um mich einzustimmen. Sitze ich schon im Publikum, klopfe ich mir unauffällig auf meine Beine und treibe mich mit (dann nur gedachten, aber nicht ausgesprochenen) kurzen Motivations-Sätzen an. Ich visualisiere meine Vorträge und sehe mich gedanklich unmittelbar vorher schon auf der Bühne.
Feedback ist Gold wert
Während des Vortrags bin ich dann ganz bei mir selbst. Ich weiß, was ich sagen werde und hole mir gezielt Feedback aus dem Publikum: Deren Reaktionen, ihr Lächeln, ihre Blickkontakte und der Grad ihrer Aufmerksamkeit und gelegentliche Rückfragen zeugen von Interesse. Bei aller Erfahrung hole ich mir auch nach dem Vortrag Rückmeldungen von Freunden, Kollegen und Kunden ein, die für künftige Vorträge sehr wertvoll sein können. Entscheidend ist hier, dass ich mich auf die zwei oder drei wichtigsten Feedbacks konzentriere, anstatt zehn Punkte gleichzeitig anzupacken. So werde ich meiner eigenen Performance bewusst. Wenn du noch mehr über gutes und qualifiziertes Feedback lesen möchtest, empfehle ich dir meine Blogs über ausgezeichnete Redeanalysen vor Live-Publikum sowie über vermeintlich einschlägige Rhetorik-Hinweise.
Schnell und entschlossen anpacken
Nicht zögern, sondern schnell und entschlossen handeln – anpacken und umsetzen! Das ist aus meiner Sicht wichtig, wenn du Selbstbewusstsein als Redner entwickeln möchtest. Im letzten Jahrzehnt habe ich hunderte Menschen persönlich kennengelernt, die an ihren Redefähigkeiten feilen wollten. Viel zu viele gaben sich mit kurzen Redebeiträgen oder manchmal mit der Rolle als reiner Zuhörer zufrieden. Wieder andere engagierten sich für zwei, drei Monate und waren dann weg vom Fenster. Den größten Sprung machen immer jene, die sich Woche für Woche aktiv als Redner einbringen, die auch anderen ein Feedback geben, die gute Mentoren an ihrer Seite zu schätzen wissen und die eben gezielt und kontinuierlich an ihren Redefähigkeiten arbeiten. Dank der Rückmeldungen des Publikums und ihrer eigenen Reflektion entwickeln sie so auch ein gesundes Selbstbewusstsein und freuen sich auf ihren nächsten Auftritt. Das sind jene Persönlichkeiten, die auch im beruflichen Kontext erfolgreich vor Publikum stehen.
Ich habe seinerzeit die klare Entscheidung getroffen, dass ich etwas für mich und meine Redefähigkeiten tun und an mir arbeiten werde. Und die Entwicklung ist nie zu Ende: Gerade erst habe ich mich an einer Schauspielschule angemeldet, weil ich noch an Ausdrucksfähigkeit gewinnen möchte und mir so verspreche, noch lebendigere Präsentationen halten zu können.
Damit sind wir wieder bei meinen Ausgangsfragen: Wie definierst du Selbstbewusstsein? Was tust du, um dieses weiterzuentwickeln? Welche konkreten Schritte unternimmst du, um deine Redefähigkeiten kontinuierlich zu verbessern? Wie sieht deine persönliche Reise zur selbstbewussten Redner-Persönlichkeit aus? Lass es mich gern im Chat wissen. Und wenn du einen kurzen Überblick darüber gewinnen möchtest, welche persönlichen Erfahrungen zur Entwicklung deines Selbstbewusstseins helfen können, empfehle ich dir meinen folgenden Blogartikel sowie das einstündige Interview mit Tobi Krick, der sich noch tiefergehend mit diesem Thema auseinandersetzt.
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