Kostet dich die Vorbereitung deines Vortrags zu viel Zeit, weil du andere und wichtigere Arbeiten liegen lassen müsstest? Macht nix, die besten Vorträge sind sowieso jene, die du ganz spontan hältst. Damit wirkst du auf jeden Fall authentisch. Dass du wichtige Dinge überspringst, merkt ja eh keiner. Wenn dir das nicht liegt, dann kannst du deinen Vortrag natürlich auch wortgetreu auswendig lernen. Da wirst du nie wieder vergessen, was du eigentlich sagen wolltest. Lass uns mal schauen, was du noch alles tun kannst…
Dein Publikum braucht Orientierung
Die einzigen, die noch Orientierung brauchen, sind dein Publikum. Deshalb entscheidest du dich dafür, mit dem Laserpointer anzuzeigen, welches Wort du gerade auf deiner Spiegelstrich-Liste aussprichst. Dein Publikum prüft sowieso immer ganz genau, ob dein Vortrag gut strukturiert sind. Deshalb moderierst du deine Folien auch an: „So, wir sind jetzt mit dem Fazit durch. Als Nächstes möchte ich noch meinen 37 Freunden und Kollegen danken, ohne die ich diesen Vortrag nicht hätte halten können: Mein besonderer Dank gilt Sara und Simon…“ und wenn du damit durch bist, gibst du noch einen detaillierten Überblick zu deinen Literaturquellen. So sparst du gleich noch wertvolle Zeit ein, weil Präsentations-Folien und das Handout identisch sein müssen.
Im Körpersprache-Training hast du gelernt, dass du deine Hände stets im „neutralen Bereich“ halten solltest. Sie dürfen keinesfalls unterhalb deiner Hüfte baumeln; genauso wenig solltest du mit ihnen oberhalb deiner Schultern gestikulieren. Deshalb wirken die Spitzenwerte deiner Ergebnisse visuell auch immer sehr klein und gemäßigt – genau wie beim Sieger des Halbmarathons, der hat auch nur zur Seite gejubelt. Hauptsache, deine Gestik passt zum Inhalt im Lehrbuch von 1985.
Der Urknall deiner Expertise
Du willst der Welt da draußen zeigen, dass du ein absoluter Experte in deinem Fach bist. Deshalb bringst du auch sämtliche Inhalte deines Projekts in den Vortrag rein. Du hast zwar nur fünf Minuten Zeit, hast es aber extra für eine einstündige Vorlesung vorbereitet, weil alles gleich wichtig ist. Du fängst bei Adam und Eva an und schaust weit über den nächsten Urknall in acht Milliarden Jahren hinaus. Der nächste Programmpunkt muss halt warten, bis du alles Wesentliche gesagt hast. Hauptsache deine Chefin sieht, wie fleißig du in ihrer Abteilung mitarbeitest.
Sie war es auch, die dir vorgab, deinen Vortrag auf drei Folien zu beschränken. Du hältst dich selbstverständlich an ihre Vorgaben und musstest deshalb die Bild- und Textgrößen anpassen. Dass das ab der vierten Reihe niemand mehr lesen kann, ist nicht so wichtig. Weil du damit sowieso schon gerechnet hast, liest du den Text für alle wortwörtlich vor. Du gehst auch auf jedes Detail deines Projekts ein: Das macht dich auch für die Wissenschaftler im Publikum glaubwürdig. Dazu gehört, dass du jede einzelne Literaturquelle genauso erwähnst wie alle methodischen Ansätze von anno dazumal.
Animationen? Lass dich von Las Vegas inspirieren!
Letztens hat dich dein Lieblingskollege dazu animiert, deine Folien bunter und lebendiger zu gestalten. Jetzt fliegen die Buchstaben deiner wichtigsten Fachbegriffe wie das Herbstlaub bunt umher durch deine Folien, deine Grafiken blinken mit der Skyline von Las Vegas um die Wette und das letzte Wort auf deiner Folie explodiert mit einem lauten Knall, weil das die Sinne deines Publikums schärft. Hauptsache, deine Folien wirken authentisch und verstärken den Eindruck, dass du nicht nur deine Inhalte, sondern gleich noch jede neueste Animation kennst und beherrschst.
Weil du alle Zahlen, Daten und Fakten auf den Tisch legst, wirkst du besonders glaubwürdig. Du zeigst animierte Tabellen, die möglichst komplex aufgebaut sind. Wer dir da nicht folgen kann, hat Pech gehabt. Die Details kann sowieso niemand erkennen, weil du ja alles auf drei Folien beschränken musstest. Er soll dich aber bloß nicht hinterher ansprechen, um deine Expertise anzuzweifeln. Wer fleißig arbeitet hat auch keine Zeit, seinen Vortrag vorzubereiten. Deshalb sind deine Grafiken kurzgehalten, der Rest steht auf deinen drei Tabellen der zweiten Folie.
Storytelling mit ernstem Hintergrund
Ausgerechnet ich habe dir erzählt, dass du aus allem eine packende Story machen kannst. Jetzt kannst du dich endlich darüber auslassen, wie du nächtelang im stillen Kämmerlein über deinen Daten gebrütet hast und wie du die Literatur von Schmittchen et al. gewälzt hast, bis du einer plötzlichen Eingebung gefolgt bist. Damit dein Storytelling trotzdem seriös rüberkommt, sprichst du dein Publikum mit ernstem Ton an. Egal ob Wissenschaft oder Business, deine persönliche Begeisterung hat in einem guten Vortrag nun mal nichts zu suchen. Dein Projekt ist viel zu ernst, als dass du Leichtigkeit vermitteln dürftest.
Weil du gleich wieder ins Labor gehen musst, um dein nächstes Experiment zu starten, verschwindest du nach deinem Vortrag möglichst geräuschlos vom Podium und zeigst dich möglichst niemandem mehr auf der Veranstaltung. Netzwerken ist schließlich etwas für die anderen, die verzweifelt nach einem neuen Job suchen. Du musst aber noch heute Abend deinen nächsten Projektantrag anfangen zu schreiben und bis spätestens morgen früh einreichen.
Du möchtest noch mehr schlechte Vorträge halten? Warte bitte auf die nächsten Tipps, irgendwann in einer unbestimmten Zeit in der Zukunft…
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