„Möchtest du nach Kamerun kommen?” Als Oliver mir die Frage stellt, bin ich überrascht. Instinktiv antworte ich: „Ja!“ Rein rational betrachtet, bin ich mir da noch nicht so sicher. So vieles spricht dagegen, gerade jetzt nach Kamerun zu reisen. Aber meine endlose Neugierde und der Geograph in mir wissen sofort: Das will ich auf jeden Fall machen!
Es startet mit einem Reifenwechsel am Flughafen in Frankfurt. So lande ich mit zwölf Stunden Verspätung am 3. Juli frühmorgens in Yaoundé. Allerdings ohne Gepäck. Das hat die Brussels Airlines versäumt, auf den Ersatzflug umzubuchen …
Jedenfalls holen mich mein Kollege Oliver Nshom und sein Freund und Helfer Bertrand Beco ab – und los geht die aufregende Reise in Kamerun! Ist der erste Tag mit dem Besuch eines Tier- und Freizeitparks noch eher entspannt, geht es am nächsten Tag direkt los mit dem Treffen mit einem Startup-Gründer: Fai Timothy, Techpreneur und CEO bei Sparkafrik in Yaoundé, hat schon in jungen Jahren eine gut laufende Marke im Online-Handel aufgebaut.
Vortrags-Coaching für junge Menschen
Weiter geht es mit dem ersten von vier Coaching-Treffen für junge Menschen im Alter von vier (!) bis 19 Jahren. Für mich eine neue Erfahrung, sind doch bisher Studierende unter den jüngsten Menschen gewesen, mit denen ich Trainings und Coachings durchgeführt habe. Entsprechend abwechslungsreich geht es zu: Die ganz Kleinen sind natürlich nur sehr kurz aufmerksam und schlafen zwischendurch sogar, andere sind noch ganz eingeschüchtert, weil sie von ihren Eltern geschickt werden und eigentlich andere Interessen haben. Besonders motiviert und sehr aktiv dabei sind dafür die älteren Jugendlichen.
Vorträge und Rhetorik-Trainings für angehende Redner
Mein Schwerpunkt liegt aber ganz klar in meinen Vorträgen und den Rede-Trainings für das African Inclusive Institute of Public Speaking (AIIPS). Zusammen mit Oliver trete ich gleich siebenmal auf den Bühnen in Yaoundé, Douala, Bamenda und Buea auf. Oliver kenne ich gerade einmal seit März. Ich treffe ihn auf Zoom während seines Online-Vortrags für die Virtual Speakers Association International (VSAI). Nach einem kurzen Kennenlernen starten wir schon innerhalb weniger Tage mit Online-Vortrags-Trainings für Erwachsene. Schnell kommt die Idee auf, dass ich Oliver in Kamerun besuche.
In meinen Live-Vorträgen spreche ich über Scheitern und Erfolg im Leben – auch über meine eigenen Erfahrungen damit, und was das mit der Entwicklung des Selbstbewusstseins zu tun hat und wie unsere Vortrags-Kompetenz damit zusammenhängt. Offensichtlich geht es vielen anderen im Publikum genauso: Sie haben einen ähnlichen Weg zurückgelegt und stehen selbst vor einer Karriere, in denen sie kompetent und überzeugend vor anderen Menschen auftreten müssen. Manche von ihnen begeben sich auf den Weg zu professionellen Rednern.
In meinen Trainings geht es um die Grundlagen der Rhetorik wie etwa das rhetorische Dreieck mit Logos – Ethos – Pathos und noch mehr um Geschichten, also Storytelling-Techniken und wie wir diese spontan in eine zweiminütige PechaKucha-Rede einbauen können. Weil ich das gern interaktiv mache, hören wir tatsächlich einige sehr kreative und manche ernsten Geschichten der Zuschauer.
In Douala halte ich einen weiteren Vortrag, bevor alle Teilnehmer ihr Abschlusszertifikat bekommen. Sie haben unter anderem im zwei Monate dauernden Online-Training mit Oliver und mir ihre Vorträge gehalten und sich schrittweise, aber in dieser kurzen Zeit schon erkennbar verbessert. Damit sind sie als professionelle Redner der Cameroon National Speakers Association (CANASA) qualifiziert. Genauso schön und für mich persönlich besonders ist es, dass ich mit Nakentoh Kenneth einen meiner LinkedIn-Kontakte zum ersten Mal persönlich treffe. Wir haben uns viel zu erzählen und die Zeit bis zum Abschied verfliegt viel zu schnell. Schon jetzt freue ich mich auf das nächste Wiedersehen.
TV-Live-Interviews: Ist Rhetorik als Business möglich?
Ein anderer Höhepunkt sind die drei Live-Interviews für diverse Fernsehsender in Kamerun. Das erste gibt es direkt nach dem ersten Auftritt in Yaoundé. Es folgen zwei Interviews in den Fernsehstudios in Yaoundé und Douala: Warum sind Präsentations-Fähigkeiten heute so wichtig? Wie fällt der Vergleich Afrika-Europa aus? Können wir mit Vorträgen und Trainings tatsächlich ein finanziell tragbares Business führen? Wie gefällt mir Kamerun? Werde ich wiederkommen? Diese und viele weitere Fragen gehen nicht nur an Oliver und mich, sondern auch an Ada Mbionyi und Beco Bertrand, die zur Zeit des Interviews noch kurz vor ihrer Zertifizierung als professionelle Redner stehen. Im Link ab 1:08:45 Stunden kannst du das vollständige Interview sehen.
Von Douala geht es per Nachtbus weiter nach Bamenda, drei Nächte später dann ebenfalls per Nachtbus von Bamenda nach Buea. Die Überlandfahrten gehören zu den besonders unruhigen Nächten, in denen ich reichlich Schlafdefizit ansammele. Unterwegs fahren wir über viele Straßenschwellen und manche von den intensiven Regenfällen freigelegten Erosionsflächen, weshalb die Fahrt manchmal recht abenteuerlich (und dennoch stets sicher) wirken. Es sind die wie Marktschreier wirkende Prediger, die für sichere Fahrten beten – ganz ähnliche Erfahrungen habe ich bereits 1998 in Ecuador machen dürfen. Es ist auch die zeitweise vollkommen überdrehte Musik: All das führt dazu, dass ich nachts nur sehr wenig Schlaf abbekomme.
Toastmasters-Clubgründung in Bamenda
In Bamenda, der Hauptstadt der Region Nordwest in Kamerun, gibt es nachmittags direkt den nächsten Workshop. Nach einem Ruhetag – die Erholung kann ich sehr gut gebrauchen – gründen wir den ersten Toastmasters-Club in Bamenda. Als Club-Mentor und „Bantek“ (Chef) verspreche ich, dass ich den Club auch nach der Gründung unterstützen werde. Es soll absehbar sogar ein gemeinsames Online-Treffen mit meinem Heimatclub, den Bonn International Toastmasters geben.
Nach einer weiteren Überland-Fahrt per Bus und einem wiederum ausgeprägten Schlafdefizit ist für den kommenden Vormittag bereits das nächste Training angesagt: Am Fuße des Mount Cameroon in Buea ist das Programm längst gestartet, als wir ankommen. Völlig ohne die übliche technische Vorbereitung und Einstimmung improvisiere ich meinen Auftritt. Immerhin präsentieren hier einige Teilnehmer PechaKucha-Slides auf PowerPoint aus dem Stegreif – und richtig gut machen sie das!
Präsentations-Training an der Universität Yaoundé
Selbst an meinem letzten Tag, nur sechs Stunden vor meinem Rückflug nach Frankfurt, geben Oliver und ich noch ein Präsentations-Training, diesmal an der Universität von Yaoundé. Zu guter Letzt treffe ich noch einen früheren Doktoranden meiner Heimat-Universität aus Bonn, der schon vor vielen Jahren nach Kamerun zurückgekehrt ist.
Eine großartige, eine intensive Zeit geht damit zu Ende. In Kamerun lebe ich mein Credo und einen meiner häufigsten Appelle an alle, die sich persönlich weiterentwickeln wollen, selbst aus: „Geh‘ raus aus deiner Komfortzone!“ In Kamerun sind die Bühnen die größte Komfortzone, die ich kenne. Dabei war es bis zu meinem Studium genau umgekehrt: Auf Bühnen zu stehen und vor anderen Menschen zu sprechen, war lange Zeit der für mich größte Schritt aus meiner Komfortzone. Heute ist es das unruhige Drumherum, welches mich weit aus meiner Komfortzone herausholt.
Hat sich die Reise gelohnt? Aber ja! Werde ich wieder nach Kamerun reisen? Gut möglich! Es gab insgesamt 13 Events mit rund 200 Zuschauern: Fünf Trainings mit eingebauten Vorträgen, zwei Keynote-Vorträge, drei Coaching-Sessions und drei Live-Interviews. Von meiner Reise bringe ich elf Tage neuer Lebenserfahrung in Kamerun mit. Und ja: Ich werde auch weiterhin gemeinsam mit Oliver und im Auftrag des African Inclusive Institute of Public Speaking, dem AIIPS, Online-Trainings für bessere Vorträge leiten. Zugleich freue ich mich schon auf den Gegenbesuch von Oliver in Deutschland.
Den Podcast zum Text (in englischer Sprache) findest du hier!
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